Petritag

Der Petritag – Entwicklung und allgemeine Bedeutung

Petritag | Tradition auf den nordfriesischen Inseln, Halligen und dem Festland am 22. FebruarDer Petritag ehrt die Schlüsselgewalt und den Amtsantritt des heiligen Petrus und erinnert an dessen Berufung zur Ausübung des kirchlichen Lehramts sowie die Übernahme des Heiligen Stuhls als erstem Inhaber. Namentlich auf den nordfriesischen Inseln, den Halligen und den Küstenregionen Nordfrieslands hat dieser Tag eine vielschichtige Bedeutung mit langer Tradition. Der Tag (auch: cathedra Petri, Petri Stuhlfeier bzw. Petri Stuhl; nordriesisch: piddersdai bzw. piadersdai ) ist im römisch-katholischen Kirchenjahr ein durchaus essenzieller Gedenktag, welcher erst gegen Ende des 19. Jahrhundert als jährlich wiederkehrendes Ereignis auf den 22. Februar, dem Tag nach dem Biikebrennen, festgelegt und gefeiert wird. Trotz intensiver Recherche war es nicht möglich, die genaue Jahreszahl der ersten urkundlichen Erwähnung des Petritages eindeutig zu verifizieren. Abhängig von den Regionen, lassen sich hierüber freilich unterschiedliche, recht ungenaue Hinweise finden.

Christian Peter Hansen (1803 – 1879) charakterisiert den Petritag als einen der zentralen Feiertage, der den Inselbewohnern als eine Art Sylter Nationalfest gelte, ein Tag, an dem viel getanzt, Musik gespielt, Kuchen gegessen, Kaffee, Wein, Punsch oder Grog getrunken werde. Es sei nicht zu verkennen, so Hansen, „daß im Allgemeinen am Petrifeste auf Sylt eine wahrhaft kindlich gemüthliche Freude, die auch den Schwachen und Armen wie den Freund und Verwandten zu beglücken sucht, vorherrschend ist. Es weht ein Geist der Herzlichkeit, der Brüderlichkeit, der Freiheitsliebe und des Nationalgefühles an diesem Feste, der um so unverkennbarer ist, jemehr es sonst nicht selten bei den Syltern in ihrer Heimath an wahrer Liebe, Anhänglichkeit und Einigkeit unter einander fehlt“ (Hansen, 1860, S. 51).

In den Jahrhunderten zuvor wurde die Festlegung des Feiertages variabel gehalten, da Petri Stuhlfeier nicht in die Fastenzeit hinein fallen durfte. Nach Darstellung des Sylter Lehrers und Chronisten C. P. Hansen war dieser Tag für die Sylter ursprünglich ein wichtiger Verwaltungs- und Gerichtstag (Thingtag), an dem das Volk „einst sich selber Gesetze, Beliebungen oder Willküren gab“ (Hansen, 1860, S. 51), ebenso wurden rechtliche Angelegenheiten geregelt, Streitigkeiten geschlichtet, Verträge abgeschlossen und Gemeindeversammlungen abgehalten. Auch markierte er den Beginn der neuen Seefahrts- und Arbeitssaison und wurde später eng mit dem Biikebrennen verknüpft. Heute hat sich der Petritag zu einem Fest für Kinder und Jugendliche entwickelt, das zur Bewahrung der nordfriesischen Identität beiträgt.

Historische Ursprünge und Funktionen des Petritages

In Nordfriesland, in Regionen des dänischen und norddeutschen Küstengebietes hatte der Petritag eine bedeutende Funktion als Thing- oder Gerichtstag. Der Begriff „Thing“ bezeichnete eine Volks- und Gerichtsversammlung, in der Gesetzgebung und Rechtsprechung durchgeführt wurden. Der 22. Februar wurde als fester Stichtag genutzt, um eine Vielzahl von Verwaltungs- und Rechtsangelegenheiten zu regeln, dazu zählten:

  • Die Verkündung neuer Gesetze für das laufende Jahr.
  • Die Schlichtung von Streitigkeiten innerhalb der Gemeinden.
  • Die Regelung von Erbangelegenheiten und Besitzverhältnissen.
  • Die Vergabe von Landnutzungsrechten und Pachtverträgen.
  • Da Nordfriesland aus mehreren Inseln und Küstenregionen bestand, in denen jede Gemeinde teilweise ihre eigenen Regeln hatte, war der Petritag auch der Tag, an welchem gemeinsame Beschlüsse gefasst und regionale Streitfragen geklärt wurden.

Neben seiner juristischen Bedeutung spielte der Petritag eine zentrale Rolle auch in wirtschaftlichen Fragen: Viele Pachtverträge für landwirtschaftliche Flächen wurden traditionell am Petritag erneuert oder neu vergeben. Steuerabgaben und Abrechnungen der Armenkassen wurden an diesem Tag vorgenommen. Öffentliche Arbeiten, wie Deichbau oder Infrastrukturmaßnahmen, wurden beschlossen und an örtliche Handwerker und Landwirte vergeben. Gerade in einer Region, die stark von Landwirtschaft, Fischerei und Deichbau abhängig war, war der Petritag somit ein zentraler Verwaltungsstichtag, der das wirtschaftliche Leben strukturierte.

Der Petritag ist eng mit dem Biikebrennen verbunden, einem der wichtigsten nordfriesischen Bräuche. Am 21. Februar, dem Vorabend des Petritages, werden auf den Inseln, den Halligen und in den Küstendörfern große Feuer entzündet.

Die Ursprünge des Biike-Rituals sind nicht eindeutig geklärt, doch es gibt verschiedene Theorien:

  • Vorchristliche Bedeutung: Das Biikebrennen könnte ein alter heidnischer germanischer oder friesischer Brauch sein, um den Winter zu vertreiben und böse Geister abzuwehren.
  • Walfang-Tradition: Im 17. und 18. Jahrhundert diente das Feuer der Legende nach als Abschiedsritual für die Walfänger, die im Frühjahr ihre gefährlichen Fahrten nach Grönland antraten. Ihre Familien zündeten entlang der Küste Feuer an, um ihnen ein sicheres Geleit zu wünschen.
  • Protest gegen die dänische Herrschaft: In einigen Quellen wird das Biikebrennen auch als Akt des Widerstandes gegen die dänische Fremdherrschaft interpretiert.
  • Da das Biikebrennen direkt vor dem Petritag stattfand, wurde es mit der symbolischen Bedeutung des Petritages als Neubeginn und Aufbruch in die neue Saison verbunden.

Für Seefahrer und Handelsleute gilt der Petritag als eine Art Stichtag mit praktischer Bedeutung für die Seefahrt:

Im Mittelalter und der frühen Neuzeit galt in Norddeutschland die Regel, dass zwischen Martini (11. November) und Petritag (22. Februar) keine Seefahrten stattfinden sollten, um Stürme zu vermeiden. Schiffe gingen gewissermaßen in die Winterpause. Erst ab dem Petritag wurde die Schifffahrt wieder aufgenommen. Kapitäne und Handelsgesellschaften nutzten den Petritag, um neue Verträge mit Seeleuten abzuschließen, die den Walfang und die Handelsschifffahrt betrafen.

Religiöse, wirtschaftliche und soziale Bedeutung des Petritages

Seit dem Spätmittelalter (1100 – 1500) lebte die Sylter Bevölkerung überwiegend von der Fischwirtschaft, dem Fischfang. Der christlichen Überlieferung nach waren Petrus, und sein jüngerer Bruder Andreas von Beruf Fischer am See Genezareth (im Norden Israels) und als Jünger Jesu Teil der zwölf Apostel. Petrus wurde Schutzpatron der Fischer, der eine zentrale Rolle im religiösen und alltäglichen Leben einnahm, demzufolge gilt der Petritag auch als ein Tag, an dem der heilige Petrus um Schutz und Segen für die Fischer und deren Familien gebeten wird.

Im Verlaufe des 19. und 20. Jahrhundert änderten sich die wirtschaftlichen und sozialen Strukturen in Nordfriesland, was auch den Petritag beeinflusste:

  • Abnahme der lokalen Gerichtstage: Mit der preußischen Verwaltungsreform und der Integration Nordfrieslands in größere staatliche Strukturen verlor der Petritag seine Funktion als offizieller Gerichtstag, 1867 wurde das Institut der Ratsmänner aufgelöst.
  • Modernisierung der Landwirtschaft: Während früher viele Landverträge und Pachtregelungen am Petritag erneuert wurden, wurden diese nun flexibler gehandhabt.
  • Aufkommen neuer Feiertage: Andere gesetzliche Feiertage gewannen an Bedeutung, während der Petritag eine eher regionale Besonderheit blieb.
  • Dennoch wurde der Petritag nicht abgeschafft, wandelte sich vielmehr zu einem kulturellen Brauchtumstag.

Der Petritag als Fest der Jugend und Kultur

Heutzutage ist der Petritag vor allem ein Fest für Kinder und Jugendliche und trifft in manchen nordfriesischen Gemeinden folgende Regelungen:

  • Schulfrei für Kinder und Jugendliche auf Sylt: Auch einige Schulen in den übrigen Gemeinden Nordfrieslands bleiben am 22. Februar geschlossen.
  • Petritag-Taler: Kinder erhalten Geldgeschenke von ihren Eltern oder Großeltern, ähnlich wie an anderen Festtagen.
  • Friesische Theateraufführungen und Tänze: Es werden friesische Gedichte und Theaterstücke aufgeführt, um die regionale Sprache und Kultur zu pflegen.
  • Geselligkeit und Feiern: Neben offiziellen Feiern treffen sich viele Familien zu geselligen Runden mit traditionellem Essen wie Grünkohl und Kassler.

Der Petritag als lebendige Tradition Nordfrieslands

Der Petritag hat sich in Nordfriesland über Jahrhunderte hinweg von einem rechtlichen und wirtschaftlichen Stichtag zu einem kulturellen und identitätsstiftenden Feiertag gewandelt. Während seine ursprünglichen Funktionen als Verwaltungs- und Gerichtstag heute nicht mehr relevant sind, bleibt er ein Symbol für die nordfriesische Gemeinschaft, Tradition und Sprache. Sein enger Bezug zum Biikebrennen und zur maritimen Geschichte der Region macht ihn zu einem wichtigen Element des friesischen Erbes, das bis heute gefeiert wird. Der Petritag zeigt eindrucksvoll, wie sich Bräuche anpassen und dennoch ihre historische Tiefe bewahren können.

Quellen und weiterführende Informationen

  • Hansen, Christian Peter: Der Sylter-Friese. Geschichtliche Notizen, chronologisch geordnet und benutzt zu Schilderungen, der Sitten, Rechte, Kämpfe und Leiden, Niederlagen und Erhebungen des Sylter Volks in dem 17. und 18. Jahrhundert, S. 50 – 54, Ernst Homann Verlag, Kiel 1860
  • Jensen, Christian: Die Nordfriesischen Inseln Sylt, Föhr, Amrum und die Halligen vormals und jetzt. Mit besonderer Berücksichtung der Sitten und Gebräuche der Bewohner, S. 354 – 362, Verlagsanstalt und Druckerei Aktiengesellschaft, Hamburg 1891
  • Jessel, Hubertus: Biikebrennen und Petritag, S. 82 – 83, in: Schulz, Hans Hermann u. a.: Das Heimatbuch der Nordfriesen, zusammengestellt unter Mitarbeit vieler Heimatkundiger von Dr. Hans Hermann Schulz, Thordsen Verlag, Hamburg 1957
  • Erweitertes Literaturverzeichnis: Literaturverzeichnis